Projekt-Alsen

Knirschen und knackend rollen wir langsam über den Vorplatz der ehemaligen Alsen-Zementfabrik in Itzehoe. Immer ein Blick auf den vor uns liegenden Boden, um nicht über irgendwelche Glassplitter zufahren. Nach langem Bitten und Betteln habe ich es endlich geschafft meinen Bruder zu überreden, mal wieder zur Zementfabrik am Delftor zufahren. Ich weiß nicht genau wieso und warum, aber schon lange hat mich diese alte Anlage in ihren Bann gezogen, und daher ist es auch nur umso verständlicher, dass ich es immer eilig habe dort hinzukommen, denn wie lange die alten Gemäuer an der Stör noch stehen, ist ungewiss. Ein Abriss über Nacht wäre für mich der persönliche Super GAU. Also nutze ich jede Fahrt dorthin, um so viele Fotos zumachen wie möglich. Eigentlich kann ich schon fast sagen, dass ich das 25,96ha große Gelände wie meine buchstäbliche Westentasche kenne.

Als ich letztens die großen Bagger und Räumfahrzeuge auf dem Hof gesehen habe, wußte ich gleichzeitig, dass ich nicht mehr viel Zeit habe, diese Internetpräsenz zuvollenden. Diese Seite soll für all die jenigen sein, die wie ich am alten Alsengelände hängen, aber auch für Technikfreaks sowie Graffitifans. Aber über die Zukunft des Geländes haben sich auch andere Menschen Gedanken gemacht. So zum Beispiel Sándor Kunkelmoor und Michael Heins. Sie studierten an der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften Architektur.
Im Rahmen einer Diplomarbeit suchten die beiden Studenten nach einer Möglichkeit für eine "vernünftige" Nutzung des Areals der ehemaligen Zementfabrik der Firma Alsen. Es sollte keine Konkurenz zur Innenstadt Itzehoes entstehen. Ihr Konzept: alt und neu verbinden. Mehr dazu gibt es unter
www.projekt-alsen.de. Sie setzen auf eine Kombination aus Wohngebiet, Freizeit, Handel, Gastronomie und einen Hotel- und Messebereich. Da das Areal direkt an der Stör liegt beinhaltet ihre Planung auch einen Yachthafen. Am 19.09. und am 26.09.2002 wurde ihr Diplomarbeit im Itzehoer Rathaus ausgestellt.

Die meisten Itzehoer waren Ende der 80er Jahre sehr froh, als die Anlage geschlossen wurde, und die neue in Lägerdorf eröffnet wurde, denn es sah in weiten Teilen Itzehoes aus, als ob es geschneit hätte, der Kreide- und Zementstaub breitete sich überall aus und war unerträglich.

Am 29. Dezember 1863 wurde die Alsen'sche Portland-Cement-Fabriken KG in Lägerdorf und Itzehoe gegründet. 1882 begann die Kalk Produktion in drei Werken in Itzehoe, Uetersen und Lägerdorf. Am 15. März 1884 gründeten zehn norddeutsche Kaufleute die Breitenburger Portland-Cement-Fabrik AG in Lägerdorf. 1899 wurde der Sitz des Unternehmens von Hamburg nach Lägerdorf verlegt.

Im Zeichen eines immer stärker werdenen Wettbewerbs und einem immer enger werdenen Markt gründeten 1972 APCH und BPCF die Alsen-Breitenburg Zement- und Kalkwerke GmbH , um den Fortbestand beider Unternehmen zu sichern. In diesem Jahr wurde in Höver ein neuer Ofen in Betrieb genommen, ein Jahr später in Lägerdorf. In diese Zeit fielen auch Werks-schließungen bei NC, die seit dem 25. Juni 1964 unter dem Namen Nordcement AG firmierte.

Während AB seit 1976 nur noch in Lägerdorf Zement und Kalk produzierte, wurde ab 1986 bei NC noch an den Standorten Höver und Hardegsen Zement hergestellt. 1995 markiert die Inbetriebnahme des neuen Ofen 11 am Standort Lägerdorf einen Meilenstein moderner Produktionstechnologie vor dem Hintergrund immer bedeutsam werdender Umweltfragestellungen. 1997 wurden die beiden Gesellschaften AB und NC, mit denen die Holcim Ltd., Schweiz, ihr aktives Deutschlandgeschäft betrieb, zur ALSEN AG zusammengefaßt. Die Firma Alsen wird noch viele Jahre in ihren Produktionsorten weiter produzieren, aber in Itzehoe nicht mehr...

Der Plan auf dem Gelände Supermärkte zuerrichten ist eigentlich eine gute Idee, denn das Gelände liegt mehr als günstig, so ist der Bodenwert auch sehr hoch, wäre da nicht die starke Verschmutzung und die alten Gemäuer. Dies abzureißen und zu entsorgen verschlingt Unmengen an Geld. Die Entsorgung des Asbests das in den Hallen steckt, gestaltet sich schon als sehr teuer und aufwendig. Aber der Abriss läuft schon, wenn auch nur in kleinen Schritten, so z.B. wurde Mitte des Jahres 2002 eine alte Halle abgerissen, dort entstand eine Burger King Filiale.

Aber für die Itzehoer Innenstadtläden sowie dem Einkaufscenter B&H und dem Holsteincenter, bedeutet ein Ausbau des Geländes mit Supermärkten ein hoher Gewinnverlust. Wie nun endgültig entschieden wird, ist noch unklar.

"Halt hier an", sage ich zu meinem Bruder, "von hier aus gehen wir zu Fuß". Folgend stellt mein Bruder seinen Wagen auf dem Vorplatz ab. Besorgt schaut er auf seine Reifen, "wenn da jetzt ein Glassplitter drin steckt..." Ich winke langsam genervt ab. Wir bewegen uns auf das ehemalige Verladegebäude mit dem Büro zu. Es ist stark mit Graffiti beschmiert. Eine gute Kulisse für einen Film denke ich mir. Und Tatsache, hier wurden schon ein paar Filme gedreht, so zum Beispiel Anfang 2002, als vor den alten Gemäuern eine Folge der Sendung "Doppelter Einsatz" aufgenommen wurde.

Der Grund hier zu drehen hieß damals vom Produzenten, dass sie so etwas verrottetes in Hamburg nicht gefunden hätten. Ein fragwürdiges Kompliment. Aber auch die Musikgruppe Scooter hatte dort schon damals ein Musikvideo aufgenommen, so zeigt sich, dass die Ruinen auch über die Grenzen Steinburgs bekannt sind.

Mal sehen was ich heute alles vor die Linse meines Fotoapparates bekomme. Die Silos sind beeindruckend, aber auch die alte große Lagerhalle, mit dem Kran an der Decke. "Was ist das? Da geht einer!" Wir sind nicht alleine auf dem Gelände. Hier treiben sich manchmal schon komische Typen rum, aber auch illegale Autorennen wurden hier schon veranstaltet. Auch Obdachlose haben hier ein Heim gefunden. Es gibt aber auch die "normalen" Leute, die nur etwas fotografieren wollen, solche wie ich. "Von dem Gebäude haben wir noch keine Bilder", meint mein Bruder. Okay, nichts wie hin, wir wollen doch alles für die Ewigkeit auf Bildern erhalten. "Einfach genial hier", da schließt sich selbst mein Bruder an.

Die riesigen Gebäude strahlen irgendwie etwas Bedrohliches aus, ich weiß auch nicht wieso, aber es hat wirklich den Anschein. Ich weiß ebenfalls nicht, ob es daran liegt das hier auch schon Menschen den Tod fanden. Manche sind beim Beklettern eines Silos in die Tiefe gestürzt, andere starben bei Abbrucharbeiten einen tragischen Tod. Vielleicht warnt das alte Fabrikgelände so vor sich selbst, aber scheinbar zeigen sich manche Menschen unbeeindruckt davon, so wie ich. Aber leichtsinnig werde ich nicht, so betrete ich ohne weiteres keine Gebäude, denn wenn man sich die Decke von vielen Gebäuden anschaut, kriegt man es mit der Angst zutun. Daher warne ich auch hier vor dem Betreten des Geländes ohne Vorbereitung. Ich selbst habe immer Handschuhe und einen Helm dabei, den trage ich zwar nicht wenn ich mich außen aufhalte, aber sobald ich mich einem Gebäude nähere setze ich vorsichtshalber den Helm auf. Ebenfalls kenne ich das Gelände fast schon perfekt und weiß, wo man hingehen kann und wohin nicht. Und vor dem Befahren des kompletten Geländes rate ich total ab, sowie vor dem Eintreten in Gebäuden. Aber macht euch durch meine Bilder selbst einen Eindruck vom gefährlichen Zustand der Anlage.

 

Aber man kann trotzdem nicht leugnen, dass die alte Fabrik an der Stör einfach faszinierend ist, oder?

Am 14.02.05 wurde auf dem Alsengelände ein Silo gesprengt. "Wilko Wagner", eine Abbruchfirma aus Hamburg, führte die Sprengung durch. Viele Schaulustige versammelten sich, um sich das Spektakel anzusehen. Manche von Ihnen waren skeptisch, ob die Sprengung auch klappen würde. Nach wenigen Minuten war auch schon alles vorbei. Um genau 14 Uhr trötete das Sprenghorn. Alles lief perfekt ab. Schon wenige Tage später waren Bagger dabei, mehrere Gebäude niederzureißen. Bilder sind natürlich in der Gallerie zu sehen. Dies ist wohl der Anfang vom Ende der alten Zementfabrik. Nach über 23 Jahren Stilllegung und vielen Diskussionen, was mit dem Gelände geschehen soll, ist es jetzt wohl an der Zeit, aufwiedersehen zu sagen. Ein paar Berichte vom Abriss finden sie auf der Seite www.cat-tony.de. Ich werde, wenn es was neues gibt baldmöglichst darüber berichten.

Im Sophie Scholl Gymnasium in Itzehoe, kann man sich ein detailgetreues Model der Alsen Zementfabrik ansehen als das Werk noch in betrieb war.

Die Abrissarbeiten gehen weiter. Das bekannte Gebäude "der Graue Esel" wurde völlig abgerissen. Auch wurde jetzt auf dem Gelände, für einen Media Markt ein Funderment gegossen. Demontagen an weiteren Gebäuden, findet auch schon statt. Wenige Monate später öffnete Media Markt seine Tore.

26.01.08 die Abrissarbeiten sind nun nicht mehr zu stopen. Das letzte Bürogebäude auf dem Alsengelände wurde abgerissen. Das nahe stehende Silogebäude soll folgen, sowie andere kleinere Gebäude an der Bahnschiene.

3. April 2008: Das über 100 Jahre alte Gebäude an der Stör (Sackpackerei und Magazin), sowie die Gebäudereihe an der Einfahrt zum Gelände wurden nun völlig abgerissen. Weitere Einkaufsläden stehen zur Planung und vor dem Baubeginn.

Nach sehr langer Ruhe wurde ab dem Juni 2012 auf dem Gelände wieder fleißig Abgerissen. Die große Kalkhalle sowie die Überreste der letzten Gebäude zur L 120 (Kremper Weg) wurden nun dem Erdboden gleich gemacht. Bis Dato steht nur noch das gepachtete Gebäude von Planet Alsen, die Überreste der Schlosserei und der Waschräume sowie das Travogebäude und der alte Schornstein. Viel ist nicht mehr übrig von dem eins so großen Geländer der Zementfabrik Alsen. Es bleibt spannend was stehen bleibt.

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